Eine Sitzung der ersten deutschen Nationalversammlung mit Damengalerie,
L. von Elliott, 1848, kol. Lithografie, hmf
Öffentliches Engagement in Politik und Wohltätigkeit
Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts nutzten engagierte Bürgerinnen die bestehenden Netzwerke der
bürgerlichen Elite, um ihre Forderungen für das weibliche wie auch für das Allgemeinwohl öffentlich
durchzusetzen. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist der 1813 von ihnen gegründete „Vaterländische
Frauenverein” – einer der ersten Vereine Frankfurts überhaupt. Den Vorstand bildeten Ehefrauen
und Töchter des wohlhabenden Bürgertums. Ihre vordringlichste Aufgabe sahen die Gründerinnen zunächst in der
finanziellen Unterstützung Notleidender, besonderen Nachdruck legten sie jedoch auf den Aufbau der
Frauenvereinsschulen. Hier sollten junge Mädchen in Haushaltsführung und Krankenpflege unterrichtet werden.
Als der Verein 1913 mit Erfolg auf sein 100 jähriges Bestehen zurückblicken konnte, fanden sich unter den
aktuellen Mitgliedern viele bekannte Namen aus der Töchter- und Enkelgeneration der Gründerinnen.
Es folgten weitere Vereinsgründungen, wie etwa 1847 die Gründung des „Israelitischen Frauenvereins”,
1845 die des „Vereins zum Wohle der dienenden Klasse”, der sich vorwiegend an das weibliche Gesinde
wandte und 1854 die des „Allgemeinen Deutschen Frauenvereins ‚Zur Wohlthätigkeit’”.
Bemerkenswert waren im „Vormärz” die Aktivitäten der Frankfurterinnen aus dem mittleren und
gehobenen Bürgertum. Viele von ihnen nahmen regen Anteil am politischen Geschehen und verfolgten die Debatten
von der „Damengalerie” der Paulskirche aus. Außergewöhnlich fortschrittlich räumte man ihnen nämlich
rund 200 Plätze in den Zuschauerreihen auf der Galerie der Paulskirche ein. Diese „Damengalerie” war
während der öffentlichen Plenumssitzungen stets voll besetzt. Hier saßen vornehmlich Frauen aus dem gehobenen
Bürgertum wie Koch, Brentano sowie Abgeordnetengattinnen wie etwa Louise Zimmermann, doch auch Frauen aus dem
Handwerk wie etwa Henriette Zobel verfolgten die politischen Wortgefechte mit großem Interesse. Tatsächlich
durften Frauen bei den Sitzungen des ersten deutschen Parlaments in der Paulskirche nur „zusehen”.
Bei den Tagungen des Vorparlaments waren sie nicht einmal zugelassen. Clotilde Koch jedoch schmuggelte sich
beherzt zur letzten Vorparlamentssitzung am 3. April 1848 in die Paulskirche ein und „war von der Kanzel
aus ungesehen Zeugin der Schlußrede von Mittermaier. Daß ich noch einen Eindruck des ganzen erhielt, war mir
gar lieb.” Kurz nachdem die Sitzungen der Frankfurter Nationalversammlung begonnen hatten,
gestand Clotilde Koch einer Freundin am 20. Juni 1848: „Ich habe es in den letzten Zeiten recht schmerzlich
empfunden, nur eine Frau sein zu müssen, die das Zusehen hat und doch mit Gefühl und Tatkraft im Leben begabt
ist”. An den inzwischen öffentlichen Veranstaltungen beteiligten sich zunehmend auch jene Frauen, die
sich nicht mehr auf das bloße Zuhören beschränken wollten. Ihre empörten, teilweise aufbrausenden Zwischenrufe
lösten bei einigen Abgeordneten Verwunderung, wenn nicht sogar Empörung aus. Clotilde Koch (1813-1869) war
eine derjenigen, die bereits im Vorfeld der Revolutionsereignisse von 1848 anfingen, sich für die Politik zu
interessieren. Bald darauf begründete sie einen Salon, in dem die Hauptbeteiligten der liberalen
Paulskirchen-Bewegung regelmäßig ein und aus gingen. Ihr Haus wurde zum Treffpunkt der befreundeten Politiker
und Parlamentarier, wie etwa Heinrich und Max von Gagern, Franz Peter Buhl, Ludwig Andreas Jordan und Karl
Mittermaier. Sie versammelten sich bei Clotilde Koch nach den Debatten der Paulskirche zum Mittagstisch, wo
die Gastgeberin aufmerksam an politische Fragen Anteil nahm. Im Salon der politisch engagierten Marie
Brentano (1815-1859) trafen sich ebenfalls kurz vor Beginn der Märzrevolution Abgeordnete der
Paulskirchen-Versammlung, diese gehörten jedoch eher der katholischen und österreichischen Richtung an.
Am 18.09.1848 – dem Frankfurter „Septemberaufstand” – beteiligten sich
leidenschaftlich engagierte Demokraten sowie auch viele von der politischen Entwicklung enttäuschte Männer und
Frauen aus Frankfurt und Umgebung. Während heftiger Barrikadenkämpfe kam es zum Tod der Abgeordneten General
von Auerswald und Fürst Lichnowsky. Rasch suchte man nach Schuldigen und zu einer machte man Henriette Zobel,
die 35 jährige Ehefrau eines Bornheimer Lithographen. Mit ihrem Regenschirm solle Zobel noch auf den schon
schwerverwundeten Lichnowsky eingedroschen haben, wurde kolportiert. Die bis dahin unbescholtene Henriette Zobel
wurde als Rädelsführerin verhaftet und zu Unrecht verurteilt. Obwohl sie ihre Unschuld am Tod der beiden
Politiker nachdrücklich beteuerte, wurde sie des Todschlags bezichtigt und erst nach sieben langen Jahren in
Untersuchungshaft wurde ihr der Prozess gemacht. Ursula Kern