Karoline von Günderrode, Charlotte von Günderrode (1783-1801) zugeschrieben, um 1800, Öl auf Leinwand, hmf
Kreatives Wirken von Künstlerinnen und Schriftstellerinnen
Hohe Risikobereitschaft, genaue Marktbeobachtung, räumliche Mobilität und ein professionelles Netzwerk von
Künstlern und Kunsthändlern, von Sammlern und Mäzenen bildeten im ausgehenden 18. Jahrhundert für Künstlerinnen
wichtige Voraussetzungen, um künstlerisch und wirtschaftlich zu reüssieren. Maria Katharina Prestel, Ursula Magdalena
Reinheimer und Maria Eleonora Hochecker erfuhren diese Notwendigkeit in ihrer Karriere in unterschiedlicher Form und
Intensität. Sie galt in noch viel höherem Maße für die wenigen, die sich in stärkeren Abhängigkeitsverhältnissen
bewegten, ganz gleich, ob sie nun selbständig oder – was häufiger der Fall war – im Familienverband
arbeiteten. Nur Frauen des gehobenen Bürgertums und des Adels, die in materiell gesicherten Verhältnissen lebten und
der Kunst als »Dilettantinnen« nachgehen konnten, wie etwa Louise van Panhuys und Elisabeth von Adlerflycht, konnten
sich diesem Zwang entziehen.
Ein ähnliches Los teilten derzeit die meisten Schriftstellerinnen. Auch sie schrieben in der Sicherheit des
Familienverbands oder sie publizierten anonym oder wählten ein männliches Pseudonym »als Schutzmantel für den guten
Ruf«. Dadurch erhofften sie sich eine objektive Beurteilung ihrer Dichtung und wollten einer zwangsläufigen
Abqualifizierung entgehen. Eine Tätigkeit als Schriftstellerin und die Aufgaben, die eine Ehe mit sich brachte,
galten nicht vereinbar. Das Schreiben wurde hinter den Hauptberuf als Ehefrau und Mutter gestellt. Karoline von
Günderrode (1780-1806) nahm wie Sophie von La Roche (1730 1807) und Bettina von Arnim (1785 1859) in ihrer Zeit eine
Ausnahmestellung ein: Die drei erschrieben sich einen Freiraum, den Frauen um 1800 sonst nicht hatten, und bedienten
sich dabei bestimmter Strategien – denn weibliche Autorschaft erforderte in dieser Zeit besondere Anpassung.
Regelmäßig veröffentlichte von La Roche erst nachdem ihr Mann aus dem Staatsdienst entlassen worden war, quasi aus
finanzieller Notwendigkeit. Karoline von Günderrode blieb alleinstehend, von Arnim widmete sich 20 Jahre ihrer
Familie und publizierte erst nach dem Tod ihres Ehemannes.
Die bürgerliche Mädchenbildung war auf die Tätigkeit der Frauen als Hausfrauen und Gesellschafterinnen ausgerichtet.
Höhere Schulen oder gar das Studium an einer Universität war Frauen verwehrt. Der fehlende Zugang zur
institutionalisierten Bildung ließ sie allerdings auch kreativ werden. So betrieben Karoline und Bettina in Frankfurt
eigene Studien, lernten zusammen Geschichte und gründeten gegen das »Philistertum« der Stadt ihre eigene
»Schwebereligion«. Da ihnen Bildungsreisen verwehrt waren, reisten sie beide in der Phantasie.
Während die jungen Frauen in ihrer Reisetätigkeit eingeschränkt waren, reiste Sophie von La Roche, die Großmutter der
Brentanos, in der Realität und betrat damit wieder einmal männliches Terrain. Mit 54 Jahren fuhr sie in die Schweiz,
es folgten Reisen nach Holland, England und Frankreich. Sie veröffentlichte Reisetagebücher, fein komponierte
Reportagen, die akribisch beobachtet sind. Den Eintritt in die literarische Öffentlichkeit erreichte La Roche wie
damals üblich über einen männlichen Mentor, der die Verhandlungen mit dem Verlag führte und in einem Vorwort Kritiker
zu entwaffnen versuchte. Christoph Martin Wieland gab 1771 ihre »Geschichte des Fräuleins von Sternheim« heraus.
Briefe belegen jedoch, dass beide den Plan gemeinsam verfolgten, La Roches Geschichte zu publizieren. Einerseits
legitimierte Wieland durch seine Autorität den Roman, andererseits schmälerte er La Roches Leistung, indem er sie in
die Schranken weiblichen Schreibens wies. Karoline von Günderrode schrieb unter dem Pseudonym »Tian«. Die Strategie,
ihre Leistung zu verniedlichen, wie es andere Frauen der Zeit taten, war keine Option für sie. Ursula Kern